Mit der Einordnung der SARS-CoV-2/COVID-19-Krise (nachfolgend nur Corona-Krise) als Pandemie durch die WHO vom 11.03.2020 dürfte diese für bereits laufende Bauverträge aktuell per Definition „höhere Gewalt“ darstellen. Doch was bedeutet dies grundsätzlich und im Einzelnen?

Im Folgenden sollen die häufigsten Fragestellungen, die sich in der aktuellen Pandemie-Krise für die Bauwirtschaft ergeben haben, stichpunktartig für die aktuelle Situation dargestellt werden. Selbstverständlich kann im Einzelfall bzw. in der Folgezeit immer etwas anderes gelten, daher sollten Sie sich mit konkreten Problemen trotzdem weiterhin an einen Rechtsanwalt wenden. Diese Zusammenfassung kann die anwaltliche Beratung nicht ersetzen, sondern kann lediglich einigen Fragen durch die nachfolgenden allgemeinen Erläuterungen möglicherweise vorgreifen.

Am Ende der Seite finden Sie ausgewählte Spezialinfos als Mustersatz zum Download – hier können Sie sich für typische Probleme mit einer ausgearbeiteten Formulierungshilfe schnell orientieren.


Corona im Baurecht – ein detaillierter Überblick

Stellt Corona eine Behinderung nach VOB/B dar oder gelten die vereinbarten Vertragsfristen weiter?

Grundsätzlich sind Ausführungsfristen weiterhin einzuhalten, wenn keine konkreten Behinderungen durch die Corona-Krise eintreten (§ 6 Abs. 2 VOB/B). Eine konkrete Behinderung könnte etwa vorliegen, wenn Mitarbeiter erkranken, sich in behördlich angeordneter Quarantäne befinden, wegen Einreiseverboten nicht zur Arbeit antreten können oder Materiallieferungen ausbleiben bzw. sich unberechenbar verzögern. Nur wenn auch tatsächlich eine Corona-bedingte Behinderung auf der Baustelle eintritt, ist eine Behinderungsanzeige gemäß § 6 Abs. 1 VOB/B gerechtfertigt. Das heißt, dass das Vorliegen einer Behinderung durch höhere Gewalt auch in der jetzigen Ausnahmesituation aktuell nicht pauschal angenommen werden kann, sondern im Einzelfall geprüft werden muss. Beruft sich der Unternehmer auf höhere Gewalt, müsste er darlegen, warum er seine Leistung nicht erbringen kann. Dabei ist zu beachten, dass Kostensteigerungen und kostenverursachende Maßnahmen zur Ermöglichung der Weiterführung der Arbeiten dabei nicht grundsätzlich unzumutbar sind.

Wer trägt die Mehrkosten, die Corona verursacht?

Im Rahmen von Behinderungsanzeigen und Nachtragsangeboten der Auftragnehmer ist zu berücksichtigen, dass der Auftragnehmer gemäß § 6 Abs. 3 VOB/B alles Zumutbare zu unternehmen hat, um die Weiterführung der Arbeiten zu ermöglichen. Er trägt auch bis zu einem zumutbaren gewissen Grad das Risiko von Verteuerungen von Baumaterialien, Unterkunftskosten für Montagearbeiter etc. Im Allgemeinen muss der marktbedingte Anstieg von Herstellungskosten vom Auftragnehmer getragen werden. Es gibt allerdings zwei Ausnahmen von dieser Auftragnehmerpflicht:
Bei starken preislichen Steigerungen könnte eine sog. „wirtschaftliche Unmöglichkeit“ vorliegen, die einen Anspruch auf Vertragsanpassung begründet. Eine solche ist anzunehmen, wenn das grundsätzliche Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung in einem beträchtlichen Ausmaß gestört wird und es der benachteiligten Partei unmöglich ist, in dem unveränderten Vertrag ihr eigenes Interesse auch nur annähernd noch gewahrt zu sehen.
Eine faktische Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 2 BGB liegt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bei einem so groben Missverhältnis zwischen dem Interesse des Auftraggebers am Erbringen der Leistung und dem Aufwand des Auftragnehmers vor, dass kein vernünftiger Mensch noch daran denken würde, unter den gegebenen Umständen noch auf dieser Leistung zu beharren. In diesem Fall kann die Leistung verweigert werden.

Muss ich als Bauträger unverändert gegenüber Erwerbern erfüllen, wenn die Bauunternehmen nicht auf die Baustelle kommen?

Grundsätzlich besteht die Leistungspflicht des Bauträgers gegenüber den Erwerbern fort, es sei denn es liegt eine konkrete Behinderung vor, z.B. wenn Mitarbeiter der Bauunternehmen erkranken, sich in behördlich angeordneter Quarantäne befinden, wegen Einreiseverboten nicht zur Arbeit antreten können oder Materiallieferungen ausbleiben. Der Bauträger gerät demnach gegenüber dem Erwerber durch zeitlichen Ablauf der Vertragstermine (Bezugsfertigkeit, vollständige Fertigstellung) in Verzug, wenn er nicht beweisen kann, dass ihm die Leistung für eine bestimmte Zeit unmöglich war oder er zumindest ohne Verschulden gehandelt hat. Hierbei trifft den Bauträger die Beweislast.
Eine Chance, Bauträgerverzug rechtlich aus der eigenen Verantwortung zu weisen, wird man nur haben, wenn man konkrete Belege vorlegen kann, die über einen allgemeinen Verweis auf „Corona“ oder staatliche Allgemeinverfügungen (Katastrophenfall) hinausgehen. Hierzu sollten alle eingehenden Nachrichten (E-Mails, WhatsApp, Zettel etc.) über Nichtleistung, schlechtere Baustellenbesetzung, fehlende Materialien, etc. und deren Entschuldigungen archiviert werden. Telefonate sind textförmig in kurzen Notizen niederzulegen und ebenfalls dort zu speichern. Nur so hat man am Ende eine vollständige Dokumentation, die möglicherweise rechtlich mehr leisten kann als einen allgemeinen Verweis auf schwere Zeiten.
Sollten konkrete Behinderungen und Verschiebungen auf der Baustelle deutlich werden, sollte ein konkretes Schreiben an die Erwerber (mit Nennung der konkreten Umstände) gerichtet werden und ein Hinweis bezüglich der Verschiebung der Termine erfolgen. Schließlich können etwaige Corona-Auswirkungen in der aktuellen Situation eher nachvollzogen/akzeptiert werden, so dass eine konkrete Information gegenüber den Erwerbern sinnvoll sein kann und spätere Streitigkeiten diesbezüglich minimieren könnte.

Kann mein Vertragsmuster trotz Corona weiter unverändert verwendet werden?

Für tatsächlich neue Bauaufträge bzw. neu abgeschlossene Bauverträge ist in erster Linie zu beachten, dass die Pandemie-Krise nicht mehr objektiv unvorhersehbar ist und damit keine höhere Gewalt mehr darstellt, auch nicht bei einer drastischen Verschlechterung der Lage, da auch mit dieser aktuell gerechnet werden muss. Dies ist vorliegend sowohl bei der Bestimmung der Vertragsfristen als auch der Kosten zu berücksichtigen.
Zudem sollten entsprechende Regelungen – abhängig vom konkreten Interesse – ergänzt werden. Zum Beispiel könnte eine Entschädigung aufgrund von Behinderungen, die durch die Corona-Krise verursacht werden, ausdrücklich vertraglich ausgeschlossen werden.


Downloads – Spezialinfos Corona

Die nachfolgenden Spezialinfos zu einigen wichtigen Themen im Zusammenhang mit Corona und der Baubranche geben wir Ihnen gerne zur Orientierung an die Hand. Diese Formulierungshilfen stellen keine konkrete Beratung dar – die Verwendung erfolgt auf eigenes Risiko. Es wird dringend empfohlen für Ihren konkreten Anwendungsfall individuellen Rechtsrat einzuholen.


In der Spezialinfo Zurückweisung Nachtrag erhalten Sie eine Formulierungshilfe, sofern ein Nachtrag im Zusammenhang mit Corona begehrt wird.


In der Spezialinfo Behinderungsanzeige erhalten Sie eine Formulierungshilfe für eine eigene Behinderungsanzeige im Zusammenhang mit der Corona Pandemie.


Die Spezialinfo Zurückweisung Behinderungsanzeige orientiert Sie mit einer Formulierungshilfe schnell für den Fall einer erhaltenen Behinderungsanzeige.


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